Es war morgens um 5.30 Uhr als wir den Flughafen von Kuala Lumpur erreichten. Der Taxifahrer ist gerast, aber dennoch waren wir etwas spät.
Geschlafen hatten wir nicht und Anne hatte Schwierigkeiten ihre Augen aufzuhalten. Sie reagierte eigentlich nur noch auf Handzeichen, was aber kein großes Problem darstellte. Ich wies ihr die Richtung zum Check In Schalter, worauf sie ohne Worte ihren Pass auf den Tresen legte und die Stewardess den Rest erledigte, ich zeigte ihr die Richtung zur Toilette, woraufhin sie ihren Rucksack ohne Worte abstellte und mit halb geöffneten Augen in das überfüllte WC latschte und ich wies ihr die Richtung zum Gate, wobei sie dieses Mal aber nur hinter mir herlief.
Wir waren etwas spät und wir mussten laufen. „Anne komm beeil Dich!“ „Hmm?“ Die meisten Leute waren schon in der Maschine und die Schlange war nicht mehr sehr lang. Ich hielt es dennoch für angebracht mich dezent an den letzten fünf Passagieren der Schlange vorbei zu drängeln. Immerhin waren wir ja zu spät und die anderen eben nicht.
Von derer Reaktion habe ich nichts bemerkt, da ich sie nicht angeschaut habe, naja und Anne hat es sowieso nichts gemerkt. „Oh ich bin so müde!“ „Ja, ich weiß Annemaus!“
Nur einen kleinen Augenblick später erhaschte ich einen Blick von einem alten Mann, der ja nun hinter mir in der Schlange stand. Er lächelte mich an. Wie bitte? Wir hatten uns gerade vor ihm in die Reihe gequetscht und ihn dabei noch mit samt unserem Handgepäck zur Seite geschubst und nun lächelt er mich auch noch an? Wahrscheinlich aus Mitleid.
Egal, er hatte es geschafft. Ich bekam ein schlechtes Gewissen.
Die Stewardess, die das Einsteigen in den Boeing-Nachbau regelte, gab nun dem nächsten Schub an Passagieren ein Zeichen, worauf ich dem alten Mann ein Zeichen gab, dass er doch vor uns die Aluminiumleiter betreten könne. Aber nur ihm.
Der alte Mann freute sich jedenfalls sehr über meine außergewöhnliche Höflichkeit und startete sofort ein Gespräch. In den wenigen Sekunden, die wir bis zu unseren Sitzen hatten, erfuhren wir, sorry „erfuhr ich“, denn Anne hat das alles nicht wirklich aufnehmen können, dass der alte Mann aus Yangon, der größten Stadt Myanmars und unserm derzeitigen Ziel, stammte, sich dort also gut auskenne und das er Deutsche sehr mag. „Ah, you are the one!“, sagte ich, aber den Kalauer hatte er nicht verstanden.
Er schrieb uns in Windeseile seine Telefonnummer auf und wenn wir bei irgendetwas Hilfe benötigten sollten wir uns sofort bei ihm melden. Er würde sofort alles liegen lassen, um zu uns zu kommen. Ich war sehr beeindruckt von dieser Hilfsbereitschaft. Sie überstieg doch meine eigene außergewöhnliche Höflichkeit bei Weitem. Na das ging ja wirklich gut los, dachte ich.

Als wir in unseren Sitzen saßen, sagte ich zu Anne, dass wir wirklich darüber nachdenken sollten den alten Mann einmal anzurufen. Immerhin wissen wir beide nicht sehr viel von Yangon. Eigentlich gar nichts. Somit machte es nur Sinn sich von dem alten Mann etwas Hilfe zu holen. „Oder was denkst du Anne?“ Anne dachte gerade gar nichts. Sie schlief.

Circa drei Stunden später saßen wir bereits in einem Taxi Richtung Downtown Yangon. Wir hatten uns dort für eine Unterkunft entschieden die sehr günstig zu sein schien.
Und günstig in Yangon bedeutet circa zehn Euro pro Nacht.  Genau das richtige für uns, denn die Preise für Unterkünfte in Myanmar haben sich anscheinend in den letzten zwei Jahren fast verdreifacht. Eine Konsequenz aus dem dramatischen Anstieg des Tourismus.

Das Zimmer war genau das, was wir erwartet hatten. Ein Räumchen mit Bett. Ein Fenster war vorhanden und ein Ventilator hing an der Wand. Das dieser jedoch nur Richtung Wand blies und nicht zum Bett, und dass sich dieser Zustand, wegen dem kaputten Schalter, auch nicht ändern ließ, bemerkten wir erst abends. Die Waschräume waren den Flur hinunter.
Dennoch war es eigentlich alles was wir zum Anfang brauchten. So dachten wir jedenfalls. War der Zeitpunkt schon gekommen, den alten Mann um Hilfe zu bitten? Annes Stauballergie schrie danach.
Aber dass wir seine Nummer niemals wählen brauchten, wussten wir zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig.

Alles wirkte irgendwie vertraut, als wir früh am Morgen die Treppe von unserem Hostel herunter kamen und die Straße betraten. Das rege Leben der Menschen, das ständige Hupen der vielen Mopeds, ja gar der Gestank, der sich aus einem Gemisch aus Urin und Abfall zusammenzusetzen schien, zeigte uns lediglich: wir waren in einer Großstadt Südostasiens angekommen. Um es genau zu sagen, in der größten Stadt Myanmars.
Unsere erste Nacht hier in Yangon war im wahrsten Sinne des Wortes „schweißtreibend“ gewesen. Der Ventilator in unserem Zimmer steuerte fleißig in einer Halbkreisdrehung vom Fenster bis zur gegenüberliegenden Wand und blies dabei aber ohne Rücksicht circa einen Meter über unserem Bett hinweg. Also die einzige kühle Luft, die uns die Nacht erleichtern sollte, war diejenige, welche von den Zimmerwänden abprallte.
An diesem Zustand ließ sich auch nichts ändern, denn der Richtungsschalter ließ sich nicht mehr betätigen. Auch konnte man den Ventilator nicht weiter nach vorne biegen. Vermutlich hatten sich viele andere Gäste an diesem Teil zu schaffen gemacht. Ohne Erfolg wie es schien.
So lagen wir bereits morgens um fünf Uhr, schweißgebadet und gerade vom einsetzenden Straßenlärm geweckt, wach auf der Matratze und konnten in diesem Augenblick nicht fassen, was gerade passiert war.
Sollten wir aufstehen? Verdammt, es war gerade einmal fünf Uhr. Es war so laut. Oh mein Gott! Die Fenster ließen sich nicht richtig schließen, weshalb wir dem Hupen und Quietschen nicht hätten vorbeugen können. Es hätte aber ehe nichts gebracht, da die Löcher in der Wand (Wenn man ganz genau hinsah, konnten wir durch sie hindurch kleine Passanten auf der Straße beobachten.) zusätzlichen Lärm verbreiteten.
Was uns dann aber endgültig aus dem Bett trieb, war der Gedanke, wie viele Leute vor uns schon auf dieser Matratze gelegen und genauso geschwitzt hatten, wie wir beide es in diesem Augenblick gerade taten.
Ungefähr dreißig Minuten später befanden wir uns folglich auf Erkundungstour in Yangon.
So vertraut uns diese Hektik und dieser Lärm auch schienen, eines war jedoch anders als in allen anderen Großstädten Südostasiens, welche wir bereits besuchen konnten. Die Menschen hier waren freundlich.
Von allen Seiten wurden wir belächelt und freundlich begrüßt. Es wurde uns sogar zu gewunken sobald wir irgendwo um die Ecke bogen. Wir waren sprachlos. Wir hatten im Vorfeld zwar schon etwas über die Freundlichkeit der Menschen hier gelesen und standen eigentlich auch nur wegen der jetzigen politischen Situation des Landes im Dunkeln, aber diese Offenheit hatten wir nicht erwartet.
Wir gaben alles. Wir winkten zurück, wir grüßten beinahe jeden Menschen der uns entgegenkam und nach einiger Zeit taten uns vom ständigen Grinsen sogar unsere Wangen weh.
Und wie wir es somit vermuteten, wurden uns die Dreharbeiten unglaublich leicht gemacht. Es war fantastisch, wie die Menschen mit unseren Kameras umgingen. Gut, einige Frauen flüchteten zwar vor uns sobald wir die Kamera auf sie richteten, aber das jedoch mehr aus Scham und nicht aus Angst. Aber wir zogen viel Aufmerksamkeit auf uns.
Es dauerte aber nicht einmal bis zum Mittag und wir hatten einen ganzen Haufen an Telefonnummern von Menschen gesammelt, bei denen uns doch „gefälligst“ sofort melden sollen, sobald wir Hilfe benötigten.
Wir fühlten uns sehr sicher und gut aufgehoben. Hoffentlich würde es so andauern, denn wie schon erwähnt, wir haben keinen blassen Schimmer, wie die politische Situation im ehemaligen Burma im Jahre 2014 aussieht.
Es dauerte circa fünf Sekunden und ich hatte seinen Namen wieder vergessen. Wie peinlich, aber mir fällt es immer sehr schwer mir diese asiatischen Namen einzuprägen. Anne geht es „zum Glück“ auch so, wie sie mir sagte. Das beruhigt mich jedes Mal, macht den Umstand aber nicht wirklich besser.
Wir standen gerade vor der beeindruckenden Shwedagon Pagode, als uns der Mönch ansprach und uns in ein Gespräch verwickelte. Sein Englisch war okay, aber ich hatte Probleme zu verstehen, wozu er uns am nächsten Tag einladen wollte. Vielleicht lag es daran, dass ich mich auf die Kamera konzentrierte, denn Anne schien alles mitzubekommen. Sie verfiel in ein freudiges Grinsen und bestätigte ihm, was auch immer er gerade sagte.
„Whoo, whoo, whoo….!“, unterbrach ich die beiden Turteltauben erst einmal. „Where are we going tomorrow?“, „Was sollen wir machen?“, „Morgens, um 7 Uhr?” Anne beruhigte mich sofort, da sie merkte, dass ich gerade drauf und dran war mich ganz schön zu blamieren. Denn wie sie mir erklärte, bat uns der Mönch einfach nur, ihn am nächsten morgen zum Englischunterricht zu begleiten.
Er würde uns abholen mit dem Auto, wir würden frühstücken und dann ginge es zur Klasse.
Ich hatte meine Zweifel. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Ich meine, einfach so? Wir standen noch keine drei Minuten zusammen und der Typ in seinem roten Umhang will uns mit einem Auto abholen lassen und zum Frühstück einladen? Anne hatte kein komisches Gefühl dabei. Sie vertraute auf ihren Instinkt und wusste wahrscheinlich, dass der Mönch nichts Schlimmes im Sinn hatte.
Für mich aber war er immer noch ein Fremder, der sich in einen roten Umhang gesteckt hat, um ahnungslose Touristen abzuzocken. Anne bemerkte wohl meine Zweifel und wollte mich gerade beruhigen und aufklären, aber es war zu spät. Ich fragte den Mönch ob wir für irgendetwas bezahlen müssten, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass man einfach so eingeladen werden würde. Ich meine wir befinden uns auf asiatischem Boden und wer sich etwas in dieser Ecke auskennt, weiß, dass viele Leute die freundlich auf einen zukommen, im Endeffekt nur eines wollen. Und das ist eben nicht eines Wohlbefinden.
Der Mönch verfiel, auf meine Frage, in ein lautes Lachen. Ich kam mir bekloppt vor. Auch Anne war es peinlich, sie ließ sich aber nichts anmerken.
Wir verabredeten uns also und schon am nächsten Morgen setzte alles so ein, wie der Mönch uns versprochen hatte. Wir wurden morgens um 7:00 Uhr mit dem Auto abgeholt, bekamen unterwegs ein traditionelles Frühstück, genannt Mohinga (eine Nudelsuppe mit vielen Gewürzen, Gemüse und Fisch) und wurden anschließend zum Englisch Unterricht gebracht.
Dieser allerdings entpuppte sich mehr als Talkrunde als tatsächlicher Unterricht, bei welchem einem Grammatik und Rechtschreibung eingehämmert wird. Wir saßen vor circa dreißig Studenten und beantworteten Fragen über ein Mikrofon und dazugehöriger Lautsprecheranlage.
Es hat Spaß gemacht und ganze zwei Schüler verstanden sogar, was wir ihnen erzählten. Der Rest reichte sich das Mikrofon hin und her und stellte uns Fragen welche sich die einzelne Person wahrscheinlich die vorherigen zehn Minuten ausgedacht hatte. Dass sich diese besagten Fragen dann ständig wiederholten interessierte im Endeffekt niemanden. Wie schon gesagt, die Antworten haben eh nur zwei Studenten verstanden. Darüber war ich allerdings sehr froh, denn einige Fragen waren ganz schön tiefgründig und ich kam mehr ins Schwitzen, als ich es vom heißen Wetter sowieso schon tat. „Wott is jur nehm?“ „My name is Stefan!“ „Wer du ju kamm fromm?“ „we come from Germany!“ „Wei du ju laf Anna so matsch?“ „Hmm, aeh… excuse me?“ „End wei ar ju nott merried?“ „Jesus, what the fuck?“
Es war auf jeden Fall schön zu sehen, wie sehr die Jungs und Mädels doch Englisch lernen wollen. Für sie bedeutet es in diesem Land die Zukunft.
Wir hatten noch etwas Zeit bis unser Bus fuhr und entschieden uns die Zeit mit einem Kinobesuch zu killen.
Der einzige Film der lief war „Captain America“. Was ne Scheiße, aber immer noch besser als draußen die Zeit bei 42 Grad im Schatten zu verbringen. Außerdem lieben wir das englische Kino und ich freute mich bereits auf salziges Popcorn, wurde allerdings enttäuscht, da es nur das süße Zeug zu kaufen gab.
Das Kino war ausverkauft und die wahrscheinlich 400 Leute drängten sich mit uns im Vorraum. Einige lachten über uns. Nicht weil wir Ausländer sind, sondern eher weil wir mit unserem sämtlichen Gepäck neben dem Colaautomaten standen. Wer zur Hölle geht mit sechs Taschen ins Kino? Nun, wir!
Wir hatten uns Tickets für den Balkon gekauft und der Kartenabreißer wollte uns erst gar nicht mit unserem Gepäck auf diesen lassen, aber der Umstand einer nicht vorhandenen Verständigung seiner- und unsererseits brachte ihn schnell von seinem Vorhaben ab. Er winkte uns schließlich durch und reichte uns vorab noch die 3D Brillen.
Das erste was wir bemerkten als der Film begann war, dass dieser keine Untertitel hatte. Das war erstaunlich, denn nach unserem vortägigen Englischunterricht zu urteilen, sprachen ja nur zwei von circa dreißig Personen „etwas“ Englisch. Und ich bezweifelte in diesem Augenblick auch, dass das Gesprochene im Film sich auf Fragen wie „Where do you come from? und „What is your name?“ beschränkte. Aber vielleicht irrte ich mich ja auch und es sprachen im Endeffekt viel mehr Menschen Englisch in Yangon, als ich ursprünglich angenommen hatte. Es machte ja auch Sinn dass eben diejenigen zum Nachhilfe-Unterricht gehen, die kein Englisch sprechen und die anderen besuchten halt das Kino.
Aber das Zweite was wir bemerkten war, das all unsere Vermutungen danebenlagen. Es verstand kein Mensch im Kino auch nur eine Silbe von dem was Captain Amerika gerade zur sexy Scarlett Johannson sagte. Zumindest interessierte sie es nicht, so schien es jedenfalls, denn die restlichen 398 Besucher unterhielten sich untereinander aufgebracht, wobei die meisten von ihnen nicht einmal zur Leinwand schauten.
Der Kinobesitzer muss ein sehr freundlicher Mensch sein, denn er regelte die Lautstärke des Films soweit herunter, dass die erwähnten Unterhaltungen auch ungestört stattfinden konnten. Man möchte sich ja auch nicht andauernd anbrüllen, wenn man Neuigkeiten austauscht. Und das fortwährende Popcornkauen war ja auch schon sehr laut. Da macht es ja wirklich keinen Sinn, den Film noch lauter abzuspielen.
Nach einer halben Stunde und etwa zu dem Zeitpunkt, als der dicke Typ hinter uns sein 29 minuetiges Telefongespräch beendet hatte, was er im Übrigen auf Lautsprecher getellt hatte damit auch alle Personen im Umkreis von achteinhalb Meter mithören konnten was bei ihm so los ist und etwa zu der Zeit, als sich die Klimaanlage auf konstante -2 Grad Celsius eingestellt hatte, entschieden sich die beiden Mädels vor uns ihre Facebook-Konten zu überprüfen.
Ihre Smartphones, welche sie dazu benutzten, waren fast so groß wie Mini-Tabletts und hatten die Leuchtkraft von einem entgegenkommen Auto in unserer Straße daheim, nachts um halb zwölf.
Wir hatten keine Chance dem Auto auszuweichen und bekamen deshalb nicht mehr mit wie der Kapitän seine Gegner mit seinem Schutzschild umnietete.
Wozu wir die 3D Brillen bekommen hatten konnte ich nicht wirklich einschätzen. Die anderen neben uns wahrscheinlich auch nicht. Sie hatten ihre nämlich gar nicht erst aufgesetzt. Naja, es ist ja auch blöd, wenn man sich mit seinem Nachbarn unterhält und eine Gesichtshälfte von diesem in Rot ausfällt.
Die beiden Mädels vor uns mussten etwas Aufregendes bei Facebook gelesen haben, denn sie fingen beide an in ihren Sitzen regelrecht auf und ab zu wippen. Aber das war nicht mehr schlimm, denn wir sahen ja sowieso kaum noch etwas vom Film. Das lag aber nicht an dem uns immer noch entgegenstrahlendem Auto, sondern mehr an der Tatsache, dass der Architekt vergessen hatte eine kleine Schräge in den Balkon mit einzubauen. Es hätte wahrscheinlich zu viel Geld gekostet und wozu sollte man sich auch die Arbeit machen, wenn im Nachhinein sowieso niemand Richtung Leinwand schaut. Das machte doch nun wirklich nicht viel Sinn.
Es war also unmöglich die Leinwand in voller Größe zu bestaunen, sobald sein „Davor“ eine Körpergröße von Einemmeterfünfunddreißig überstieg. Daher versuchten Anne und ich uns eine gute Sicht durch die hin und her schwingenden Köpfe der beiden Mädels zu erschaffen, indem auch wir unsere Köpfe im gleichen Rhythmus, jedoch in entgegengesetzter Richtung, schwangen.
Es funktionierte aber den beiden Mädels war in diesem Augenblick nicht bewusst, dass sie soeben einen Dominoeffekt ausgelöst hatten, denn das fröhliche Köpfeschwingen setzte sich bis zur letzten Sitzreihe fort, wobei nun ungefähr 24 Personen ihre Köpfe schwangen sobald sie etwas von der Actionscene mitbekommen wollten. Und diese Actionscenen waren ausgerechnet die einzigen, wo es einmal ruhig wurde im Kinosaal und jeder zur Leinwand schaute. Naja, außer diejenigen, die gerade etwas Wichtiges bei YouTube glotzten.
Am Ende brachen wir in lautes Lachen aus und das ganz bestimmt nicht weil der Film so grottenschlecht ist. Aber Vorsicht, denn eigentlich sollte ich mir kein Urteil erlauben, denn wir haben nicht wirklich etwas vom „Captain America“ gesehen. Eher „Captain LittleHeadWithBlackHair“.

Wir hatten also den Nachtbus von Yangon nach Nyaungshwe genommen und erreichten den kleinen Ort am Inle See früh am Morgen. Auch hier schienen die Menschen sehr freundlich zu sein, denn sobald man freundlich grüßte, kam ein noch freundlicheres Lächeln zurück. Das war gut, denn es wäre schon blöd, wenn man so übermüdet aus dem Bus steigt und jemand einem erst einmal einen Dicken zeigt.
Wir tranken noch einen Kaffee und machten uns anschließend auf den Weg um ein Gasthaus zu finden. Mittlerweile ist diese Suche ein kleines Ritual geworden und Anne hat sich als ein kleiner „Hostelwizard“ entpuppt. Sie lässt mich auf unser Gepäck aufpassen und beginnt ihre Zauberkünste. In Windeseile und in kürzester Zeit besorgt sie sämtliche Informationen zu den erreichbaren Gasthäusern. Ich habe mich noch nicht einmal umgedreht und sie steht bereits mit ihrem Büchlein vor mir und rasselt alle Angaben herunter, als ob sie diese jahrelang einstudiert hätte.
Ob Preise, ob mit Bad oder ohne, ob Doppel- oder zwei Einzelbetten, ob Wifi und ob dies oder ob das, ich habe keine Ahnung wie sie das macht. So kommt es schließlich, dass wir das für uns am bestgeeignete Hostel beziehen.
Man merkte jedoch deutlich dass der Massentourismus in Myanmar eingesetzt hat, denn Nyaungshwe wimmelte nur so von überteuerten Restaurants, Tour-Anbietern für Bootsfahrten und sonstigen Shops, die ihr Augenmerk auf die ausländischen Besucher gerichtet haben.
Aber was will man machen. Der Inle See ist nun mal sehr bekannt wegen seiner schwimmenden Dörfer und den dazugehörigen schwimmenden Gärten. Deshalb waren nun mal auch wir hier angereist.
Es war auch kein Problem gewesen einen Bootsfahrer mit samt Boot für den nächsten Tag zu organisieren. Fünfzehn Dollar sollte ein Ausflug zum See kosten. Wir schlugen ein und freuten uns auf eine aufregende Fahrt mit dem Boot. Irgendwie machte es für uns auch Sinn, dass wir einmal mit einem Boot auf den See fahren, wenn wir schon einmal am See sind.
Dass diese Fahrt sich dann aber als Kaffefahrt entpuppte machte dann für uns nicht mehr so viel Sinn. Wir waren sogar entsetzt, denn „Captain Inle Lake“ fuhr ein Programm ab, wie er es wahrscheinlich schon hunderte Male mit anderen Touristen abgefahren hat. Erst ging es zum Goldschmied mit anschließendem Souvenirverkauf. Die Souvenirs selbstverständlich aus Gold und angeblich eben gerade per Hand gefertigt und nun zum Wucherpreis verhökert.
Dann ging es zum Markt, bei welchem die Souvenirverkäufer schon reihenweise auf einen zuströmten und einem mit wenigen auswendig gelernten englischen Sätzen davon überzeugen wollten, dass ausgerechnet ihr Souvenir nun doch besser sei, als das ihrer Konkurrenz. Nun ich muss dazu sagen, dass es natürlich Sinn macht seine Waren höher anzupreisen, als die der anderen. Dass die Waren aber alle identisch waren und sich so über beinahe zwanzig Verkaufsstände hinzogen machte es für die letzten Verkaufsstände doch sehr schwierig ihre Produkte auch noch glaubwürdig in die Höhe zu loben.
Wir waren jedenfalls enttäuscht von dieser gesamten Bootsfahrt. Das Einzige was uns etwas aufmuntern ließ, war der Anblick der berühmten Fischer dieses Sees. Mit ihrer ungewöhnlichen Technik ihre Boote zu steuern, und dass während sie ihre Netze auswerfen, ist wirklich sehr originell und unglaublich fotogen.
Das „Captain Inle Lake“ aber an diesen besagten mit einem Affenzahn vorbeihämmerte um zum nächsten Souvenirshop, dieses Mal war es eine Weberei bei welcher die handgefertigten Seidenschals für glatte 150 Dollar über den Ladentisch gehen (man bedenke, dass man wahrscheinlich „Captain Inle Lake’s“ Boot für diesen Preis kaufen könnte), zu gelangen, machte die Fahrt für uns abermals nicht besonders attraktiv.
Wenigsten haben wir die schwimmenden Dörfer und die schwimmenden Gärten zu Gesicht bekommen. Bei den Letzteren werden nämlich ganze Felder auf dem See angelegt um sie mit sämtlichen Gemüsearten zu bepflanzen, was wir weiterhin als überaus originell empfanden.
Das letzte Ziel unser Bootsfahrt war dann ein Monasterium (ein Wohn- und Gebetsort von Mönchen) welches eine gewisse Berühmtheit erlangte, da es zusätzlich zu den Mönchen auch springende Katzen beherbergte. Diese führen wohl ausgefallene Kunststücke, wie zum Beispiel Springen durch brennende Reifen, vor. Ich kann es aber nicht genau sagen, denn die Katzen bekamen Anne und ich nie zu Gesicht. „Captain Inle Lake“ teilte uns nämlich beim Anlegen mit, dass die Katzen schon seit einem Jahr nicht mehr da sind. Na dann machte es natürlich ganz besonders viel Sinn hier anzulegen, sagte ich zu ihm. Meinen Sarkasmus verstand „Captain Inle Lake“ aber nicht, da er zu der Bevölkerungsschicht gehört, die sich eher  im englischen Kino trifft um Neuigkeiten auszutauschen oder um seine Facebook Nachrichten zu lesen.
Er machte jedenfalls keine Anstalten, dass die Tatsache der fehlenden Katzen irgendein Problem darstellte. So marschierten wir gezwungener Massen eine Runde durch das Gebäude, wo wieder einige Souvenirshops anzutreffen waren, und bestiegen zweieinhalb Minuten später wieder das Boot. „Captain Inle Lake“ war überrascht, dass wir unseren Rundgang bereits beendet hatten. Nun ja, er hatte wohl die Tatsache der nicht vorhanden springenden Katzen nicht ganz kapiert.  Also hämmerten wir zurück nach Nyaungshwe, brachten unsere Kameras zurück ins Hostel, aßen abends in einer Seitengasse (bei einem einheimischen Essensmarkt und etwas abseits der Touristenstraße) Abendbrot, kotzten noch etwas über unsere komische Bootsfahrt ab und gingen dann zu einen Busticketverkäufer und besorgten uns zwei Fahrkarten nach Mandalay. Und in Mandalay sollte unsere Reise dann in eine andere Richtung führen, als wir es vorab geplant hatten. Aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich noch nicht.